Wild und Wetter

Motor des Wettergeschehens auf der Erde ist die Sonne. Dass der Jagderfolg auch vom Wetter abhängt, ist allgemein geläufig. Als Klima bezeichnet man alle an einem Ort möglichen und im Verlauf eines langjährigen Zeitraumes auch tatsächlich auftretende Wetterzustände einschließlich ihrer typischen Aufeinanderfolge sowie tages- und jahreszeitliche Schwankungen.

Das Leben an Land spielt sich am Grund eines „Luftmeeres“ ab, dessen Gewicht wir als Luftdruck messen. Er verringert sich alle 5,5 km um die Hälfte. Das geringere Luftangebot ist Ursache der Höhenkrankheit, die auch sportlich trainierte Jäger treffen kann, wenn sie zu rasch in Höhen über 2500 m aufsteigen. Wer Jagdreisen ins Hochgebirge unternimmt, sollte daher notwendige Anpassungszeiten in jedem Fall einplanen.

HR-Schnee 

Wetter und Klima beeinflussen in vielfacher Weise die Entwicklung von Wildbeständen und das Verhalten des Wildes. Bei kleineren Wildarten besteht ein enger Zusammenhang zwischen Besatzentwicklung und Temperaturverhältnissen in einer Region.
Für die Jagdpraxis ist zunächst die Witterung in der wichtigen Schlüpf- und Aufzuchtphase klassischer Niederwildarten wichtig. Auch beim Rehwild ist der Witterungsverlauf im Frühjahr ein entscheidender Faktor der Populationsentwicklung. Nasskalte Frühjahrsphasen führen bei Rehen zu hohen Kitz-Ausfällen.
Den normalen Witterungsverlauf gilt es bei der Lebensraumverbesserung zu berücksichtigen: Gerade in Gebieten mit häufig nasskalten Phasen während der Brut-, Schlupf-, Setz- und Aufzuchtszeit sind geringe Saatstärken, die ein lückiges Auflaufen der angelegten Äsungs- und Deckungsflächen gewährleisten, von Vorteil, da nur sie ein rasches Abtrocknen des Jungwildes gewährleisten.

Sinnesleistungen und Chancen für die Jagd

Die Sinnesleistungen prägen entscheidend Auswirkungen des Windes auf das Verhalten. Vor allem Wittern und Vernehmen werden stark durch Windrichtung und –stärke beeinflusst. Die Witterung überbrückt die Entfernung vom Nahbereich bis zu mehreren Kilometern. Nicht abschätzen lässt sich durch das Wittern die Geschwindigkeit eines potenziellen Feindes. Ähnlich gilt dies für das Vernehmen. Der Tastsinn spielt eine größere Rolle als vielfach angenommen, nicht nur im Nahfeld zur Identifizierung von Äsungspflanzen, sondern auch über die Wahrnehmung von Erschütterungen. Das Äugen erlaubt die Wahrnehmung von Entfernungen, Richtungen und Geschwindigkeiten und ist für Wildarten mit hohem Sehvermögen eine ganz entscheidende Informationsquelle. Der Gesichtssinn hat aber einen Nachteil – er kann getäuscht werden, während die Witterung nicht trügen kann, sie kann nur vom Wind verweht werden. Diese Zusammenhänge führen dazu, dass sich Wild bei starkem Wind im Lebensraum unsicher fühlt, sehr vorsichtig ist und die Chancen einer erfolgreichen Jagd gering sind.

Thermoregulation und gefühlte Temperatur
Für die Raumnutzung der Wildarten spielt die Thermoregulation eine entscheidende Rolle, wesentlich sind Windstärke und Temperatur. Auch in den Wetternachrichten wird zunehmend auf die „Windchill-Temperatur“, (gefühlte Temperatur) hingewiesen. Für die Jagd ergeben sich daraus zwei Konsequenzen:

Wer die kühlende Wirkung des Windes verstanden hat, kann nachvollziehen, warum sich Wild an heißen Sommertagen auf windige Höhen zurückzieht – und diese im Winter meidet.
Darüber hinaus hilft dies auch bei der Bekleidungswahl. In der Praxis kann man immer wieder beobachten, dass sich bei „schönem Wetter“ mancher Jäger zu leicht kleidet. Bei mittlerem Wind in den Hochlagen von Sauerland und Eifel unterschätzen viele, dass bei Außentemperaturen von 60 C und einer Windgeschwindigkeit von 20 km/h, die gefühlte Temperatur bereits im Frostbereich liegt!

Richtig gefährlich kann dies bei der Rückfahrt vom Nachtansitz werden. Während die Motorkühlflüssigkeit bei den meisten Fahrzeugen stabilisiert ist und den üblichen Wintern gewachsen ist, muss die Scheibenwaschanlage immer je nach Außentemperatur beschicktwerden. Dies wird häufig unterschätzt und führt bei leichtem Frost dazu, dass bei Scheibenwaschanlagen, die etwa auf – 50 C eingestellt sind, bei tiefen Temperaturen die Scheiben nach dem Anfahren sofort wieder zufrieren und blickdicht werden.

Raumnutzung und Wetterphänomene

Bei größeren Wildarten schlägt die Witterung nicht gleich auf die Populationsentwicklung durch, sondern vor allem auf Raumnutzung und Aktivitätsperiodik. Wetterphänomene und tagesperiodische Schwankungen werden von Wild gezielt zur Feindvermeidung genutzt. Besonders gut beobachten lässt sich dies etwa am Strahlungsnebel:

Strahlungsnebel bilden sich, wenn die Abkühlung in klaren, windstillen Nächten durch die langwellige Ausstrahlung vom Boden her erfolgt. Bodennebel kann schon kurz vor Sonnenuntergang entstehen. Als Wiesen- oder Talnebel tritt er besonders in Bachniederungen auf, weil es dort besonders kalt ist (kalte Luft fließt immer nach unten) und nicht (wie man meinen könnte) wegen der höheren Feuchtigkeit.

Wild, das auf natürliche Äsungsflächen in Talwiesen austreten will, wartet häufig ab, bis der Bodennebel so hoch gestiegen ist, dass die Tiere darin vollständig verschwinden. Die Feindvermeidung wird durch die Nebelbildung unterstützt, gleichzeitig auch die Annahme natürlicher Äsung, weil Rot-, Dam-, aber auch Schwarzwild sich auf solchen Flächen sicher fühlt. Der Rückweg vom Ansitz sollte nach Möglichkeit nicht durch Nebelbänke führen.

HR-Buschwindroeschen

Die Buschwindröschenblüte kündigt das Ende der Notzeit an.

Wetter, Nahrung, Wildschäden

Natürliche Äsung zieht Wild in Nebelbänken an – ähnlich wie windexponierte Höhen, die bei natürlicher Äsung gezielt aufgesucht werden. Eine gezielte Winterfütterung lockt auch in kalte Hänge und auf kalte Höhen sowie in Kaltluftseen – wenn Winterfütterungen so anziehend wirken, wird also der Klimaschutz vernachlässigt.

Umgekehrt heißt dies aber auch, dass solche Fütterungsstandorte falsch gewählt und für das Wild eine ausgesprochene Belastung darstellen. In Ausnahmefällen können auch solche Standorte, vielleicht neben einem Haus, vertretbar sein, wenn Wild zum Ruhen und Wiederkäuen in angrenzende Sonnenhänge ziehen kann. Äsungsflächen, die in geländeklimatisch ungünstiger Situation angelegt sind, werden häufig nicht angenommen. Beachtet man dies in großen Waldrevieren nicht (was häufiger vorkommt), kann dies dazu führen, dass trotz ausreichend großer Äsungsflächen Waldschäden wegen Äsungsmangel dennoch sehr gravierend sind.

Gute Indikatoren, die den Witterungsverlauf im Jahresverlauf charakterisieren, sind Pflanzen: Die Buschwindröschenblüte signalisiert ein frühes Äsungsangebot und damit das Ende der Fütterungsperiode. Von ganz entscheidender Bedeutung ist das Blühen der Waldbäume.

Heimo van Elsbergen belegte 2003 im Vortrag „Schwarzwild in NRW – Hegeauftrag und Realität“ in Brüggen, dass die Schwarzwildstrecke jeweils nach Mastjahren steigt. In NRW steigt die Schwarzwildstrecke jeweils an, wenn bei der Waldschadensschätzung die Schadstufen 2–4 und bei der Buche mehr als 25 Prozent erreichen und die Blühintensität der Buche Werte von über 2,5 erreicht.

Blühintensitäten sind wie folgt definiert:
BZ 1: kein/geringes Blühen 0–10 Prozent
BZ 2: schwaches/mäßiges Blühen: 11–30 Prozent
BZ 3: mittleres/gutes Blühen: 31–60 Prozent

BZ 4: reichliches/volles Blühen: 61–100 Prozent

Reichhaltiges Blühen führt in der Regel zu reicher Mast.

Mit oder gegen den Wind?

Die Windrichtung spielt bei der Jagd eine wesentliche Rolle. Bei den meisten Wildarten ist es wesentlich, dass der Wind vom Wild zum Jäger weht und nicht umgekehrt. Dazu gibt es aber auch Ausnahmen – da Vögel gegen den Wind landen, macht es bei der Jagd auf einfallende Enten und Tauben Sinn, mit dem Wind zu jagen.
Im Mittel- und Hochgebirge liefern Hang- und Talwinde den Rahmen für viele Bereiche der Reviergestaltung: Ansitzeinrichtungen an beliebten Äsungsflächen wie Talwiesen dürfen nicht so platziert werden, dass der nächtliche Kaltluftstrom beim Ansitz die Witterung zwangsläufig dem Wild zuträgt. Umgekehrt lassen sich um die Mittagszeit im Oberhang gelegene Äsungsflächen nicht störungsfrei von unterhalb im Hang gelegenen Äsungsflächen beobachten.

Wettervorhersage

Wetterumschwünge beeinflussen wesentlich die Chancen bei der Jagd. Tritt in langen Regenphasen das Wild zum Äsen aus, bleibt es regnerisch. Ändert sich in Schönwetterphasen (etwa bei gleich bleibendem Wetter) das Wetter, zeigt sich dies zunächst daran, dass viele Säuger ihr Verhalten schon 12 bis 24 Stunden vorher umstellen. Menzel beschreibt, wie er auf einem Truppenübungsplatz an einem warmen Junitag bei bedecktem, teils klarem Himmel mit mäßigem Westwind jemand einen reichen Wildbestand vorführte. Am Folgetag kam kaum Wild in Anblick. Wenige Stunden später kam es zu einer erheblichen Wetterverschlechterung.

Heranziehende Tiefdruck- und Regengebiete vermindern bei groß angelegten Ansitzdrückjagden die Erfolgsaussichten wesentlich. Ungünstig sind auch sehr „hellhörige“ Wetterlagen, da Sauen und Rotwild die Treiben bereits vor der Jagd verlassen. Möglichst richtige Angaben und Ruhe am Stand helfen hier. Während man sich bei der Einzeljagd darauf flexibel einstellen kann, ist es organisatorisch aus Sicherheitsgründen bei großen Jagden nicht möglich, die Strategie kurzfristig dem Witterungsverlauf anzupassen.                                                                                       RWJ 3/05

Dr. Michael Petrak,

Literatur:

DAVID, H., MENZEL, K., BRAUNER, R., 2004:

Wetter, Wild, Jagd, Hamburg, DSV

PETRAK, M., 2000: „Jagdreviergestaltung

Wildlebensräume planen, entwickeln, erhalten“,

Stuttgart, Kosmos

PETRAK, M., Wetterbeobachtung.

in STEINBACH, G. 1991,

Werkbuch Naturbeobachtung,

Stuttgart Franckh-Kosmos

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