Hans Schomburgk - Per Fahrrad unterwegs zum Wild und zu den Wilden

Hans Schomburgk ist erst 17 Jahre alt, als er zum ersten Mal afrikanischen Boden betritt. Der Grünschnabel aus einer Hamburger Architektenfamilie soll auf der Farm eines VerwanSchomburgk-jungdten in Südafrika arbeiten. Das hat sein Vater so arrangiert. Doch dem jungen Hans steht der Sinn nicht nach Ackerbau. Er träumt von wilden Völkern, Elefanten und Abenteuern. Und vielleicht wird er ja auch ein Naturforscher wie sein berühmter Großonkel Robert, nach dem sogar ein Hirsch in Thailand benannt wurde. Der Bardame, mit der er sich auf dem Schiff nach Durban anfreundet, erzählt er von seinem Traum. Sie will sich in Kapstadt eine neue Stellung suchen und nimmt den Hamburger Jung unter ihre Fittiche. Wenn die besoffenen Glücksritter an Bord den Teenager drangsalieren, stellt sie die Goldgräber und Diamantenschürfer in den Senkel. Offensichtlich hat Hans Schomburgk etwas, das die Frauen anzieht. Er wird viermal heiraten und jeder Ehefrau ein Buch widmen.

Im März 1898 landet der junge Mann in Durban. „Mittellos, nur gestützt auf eine gehörige Portion Frechheit und Abenteurerlust“, berichtet er später in „Zelte in Afrika“. Doch sein erster Versuch, das Innerste Afrikas mit einem Pony zu erkunden, scheitert schon vor den Drakensbergen. Sein Vermögen von 50 Pfund ist damit so gut wie weg. Deshalb versucht er sich als Rennreiter, Droschkenkutscher und Artist. Schließlich tritt er der berittenen Polizei von Natal bei. Das ist viel Aufwand, um endlich auf Afrikas Tierwelt zu Schuss zu kommen.Wie Schomburgk erkennen muss, ist die Fauna in Südafrika jedoch schon sehr dezimiert worden. Die Buren haben so ziemlich alles totgeschossen, was in Reichweite ihrer Vorderlader und Mauserbüchsen kam. Den Rest hat die große Rinderpest hinweggerafft. Am Umfolozi-Fluß ist es dann endlich so weit: Er schießt seinen ersten Büffel, der ihn ohne viel Federlesen, da von einem anderen Bullen schwer geforkelt, angenommen hat.

„Da ich die Gefahr noch nicht kannte, hatte ich keine Angst. Ruhig zielte ich zwischen die funkelnden Lichter, und im Feuer brach er zusammen.“ Es bleibt der einzige Büffel, der ihn jemals annahm. Büffel sind wegen ihrer Seltenheit nach der Rinderpestepidemie streng geschützt, und Schomburgk muss sich vor Gericht verantworten. Da er Notwehr handelte, wird er freigesprochen und auch noch für seine Tapferkeit gelobt.Am Burenkrieg nimmt er auf englischer Seite teil. Die Parteinahme entspringt weniger der Überzeugung als der Tatsache, dass er ohnehin in englischen Diensten steht und sich dort auch wohl fühlt. Die deutschen Kolonialbürokraten werden ihm diesen „Verrat“ nicht vergessen.1902 kehrt er nach Deutschland zurück.

Doch das Jahresende sieht ihn schon wieder in Südafrika, denn der afrikanische Bazillus hat ihn erwischt. Bald erneut pleite, schließt er sich der „Barotse-Eingeborenenpolizei“ im heutigen Sambia an. Dies bietet ihm erstmals die Möglichkeit, auf richtige Safaris in den Busch zu gehen. Mit Trägerkarawanen marschiert er in das rechtlose Niemandsland an der Grenze zu Angola, wo sogar portugiesische Sklavenhändler noch ihr Unwesen treiben. Unterwegs geht Schomburgk ausgiebig auf die Pirsch und bringt 24 Stück Wild zur Strecke, hauptsächlich Puku-Antilopen. Die Verpflegung seiner Polizisten und Träger ist gesichert. Doch er findet das Wild ungemein scheu. In Europa ausgemusterte Vorderlader gibt es in Hülle und Fülle und jeder, der einen solchen Püster besitzt, ballert damit auf alles, was essbar erscheint. Schomburgk bemüht sich um eine waidgerechte Jagd nach deutschem Vorbild und kritisiert die englische Kolonialverwaltung, die kommerzielle Fleischjagd zur Ernährung von Minenarbeitern zulässt.

SchomburgkAls die Barotse-Polizei Anfang 1906 aufgelöst wird, will er eigentlich nach Deutschland zurück, um seiner durch die vielen Malaria-Anfälle geschwächten Gesundheit eine Erholungspause zu gönnen. Er lernt aber den englischen Hauptmann Lammond Hemming kennen und bricht mit diesem zu einer Forschungsexpedition an den Kabombo in Nordwest-Sambia und nach Süd-Angola auf. Die Kosten wollen sie mit Elfenbein decken. Endlich ist Schomburgk professioneller Elefantenjäger. Doch dieses Metier erweist sich als nicht einfach, denn die Elefanten, so zeigt sich bald, sind eher selten. Hat man eine Fährte gefunden, muss man ihr tagelang folgen, und wittern die Dickhäuter den ersten Windhauch von Menschen, sind sie auf und davon, sodass sich eine weitere Verfolgung nicht lohnt. Am 15. August 1906 trifft Schomburgk zum ersten Mal auf Elefanten und kann mit Hilfe eines dänischen Elefantenjägers zwei erlegen.

„Dabei hätte ich beinahe meine Karriere als Elefantenjäger an einem Tage begonnen und beschlossen.“ Denn Schomburgk läuft in einen von dem Dänen Larsen angeschweißten Elefanten, kann sich aber in einem Busch verstecken, bis der Profi den Bullen erlegt hat. Von Larsen erwirbt er eine .600er-Doppelbüchse, deren 60-Gramm Geschoss sich als sehr wirksam auf alle Dickhäuter erweist. Trotz des gewaltigen Rückschlags handhabt er sie bald „wie eine gewöhnliche Schrotflinte.“ Ansonsten führt er zunächst mehr oder weniger geeignete englische Gewehre in unterschiedlichen Kalibern. Er legt sie alle beiseite, als er die 8-mm-Mauserbüchse kennenlernt, die er bald auf alles Wild außer Elefanten einsetzt. Auch was die Ausrüstung anbelangt, beschränkt er sich auf das Wesentliche.

Doch die Jagd in den von Europäern bislang kaum bereisten Landstrichen ist nur mit unerträglichen Strapazen zu erkaufen. „Ein so leidenschaftlicher Jäger ich auch sonst bin, ich konnte in dieser Zeit der Jagd doch nur wenig Vergnügen abgewinnen.“ Es regnet ganze sieben Monate an einem Stück. Schomburgk erkrankt erneut an Malaria, und ein fieberfreier Tag wird zur Ausnahme. „Ein traurigeres Neujahrsfest wie 1907 habe ich nie erlebt. Müde, mit wunden Füßen, saß oder vielmehr lag ich den Tag über in strömenden Regen in meinem kleinen Zelte.“ Drinnen ist es kaum trockener als draußen. So geht es weiter, und im März vermerkt er in seinem Tagebuch. „Krank, hungrig, nass; nass, hungrig, krank!“

Die von Händlern an der westafrikanischen Küste mit Vorderladern gut bewaffneten Wa’Lunda-Stämme sind feindlich eingestellt. Als es sich schließlich als unmöglich erweist, Träger für den Weitermarsch zu finden, versenkt er im Juni 1907 die reiche zoologische und ethnologische Sammlung aus dem unerforschten Lande sowie seine Jagdtrophäen auf Nimmerwiedersehen im Makondofluss. Nur zwei starke Büffelschädel sowie die mit 49 ½ inch stärkste Rappenantilope kann er mit Trägern in eine Missionsstation senden. Die deutsche Kolonie Ostafrika, das heutige Tansania, ist das nächste Ziel, das er und sein Freund Hemming in langen Märschen, am Bangweulo-See vorbei und durch den Süd-Ostzipfel des damaligen Kongo, schließlich erreichen.

Schomburgk radelt allerdings den größten Teil der Strecke. Er hat nämlich seit Südafrika ein Fahrrad dabei, ein für einen Großwildjäger doch eher ungewöhnliches Fortbewegungsmittel, das sich auf Fußpfaden sehr bewährt. Nur wenn auf Wildwechseln die tiefen Trichter, die Elefanten hinterlassen haben, das Fortkommen behindern, muss ein Träger das Fahrrad auf dem Kopf tragen. In Deutsch-Ostafrika jagt Schomburgk vor allem am Rufijifluss, im heutigen Selous-Wildreservat. Hier bei Beho Beho, wo acht Jahre später im Ersten Weltkrieg der englische Abenteurer und Großwildjäger Frederick Courteney Selous bei der Verfolgung des Generals von Lettow-Vorbeck und seiner Schutztruppe fallen wird, erbeutet Schomburgk seinen stärksten Elefanten. Die Zähne wiegen zusammen 188 englische Pfund und messen 2,35 Meter. „Wenn es mir zur Last gelegt werden sollte,“ so schreibt er, „dass ich viele Elefanten erlegt habe, so muss ich mich dazu schuldig bekennen, gleichzeitig mich aber damit trösten, dass ich stets Waidgerecht gejagt habe und mit ganz wenig Ausnahmen – wo Lebensgefahr vorlag – keine Elefantenkuh streckte.“Schomburgk-Elefant

Die deutsche Kolonialverwaltung hat schon damals ein strenges Jagdgesetz erlassen und Wildschutzgebiete eingerichtet, in denen die Jagd ruht. Ein großer Jagdschein kostet 1.000 Reichsmark und jeder Elefant noch einmal 200 Mark extra. Für den Berufsjäger bedeutet dies, dass er angesichts der hohen Kosten der Wildnisjagd nur mit Mühe von der Elefantenjagd leben kann. In einem Artikel in der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung begrüßt Schomburgk die Schutzvorschriften, bedauert aber, dass die „Eingeborenen“ schon für vier Mark einen Jagdschein lösen können und diesen, kaum gehindert durch Einschränkungen, übernutzen. Er sieht das Wild vor allem durch den kaum kontrollierbaren Abschuss mit Vorderladern gefährdet.

Zunächst einmal gerät Schomburgk aber selbst mit dem Gesetz in Konflikt. Weil er mit englischen Jagdfreunden reist, ist er den national gesinnten Kolonialbürokraten suspekt. Ihren Neid weckt er, wenn seine Karawane bei der Rückkehr aus dem Busch demonstrativ das erbeutete Elfenbein zur Schau stellt oder sein zahmes Elefantenbaby Jumbo Daressalam unsicher macht. Und Streiche, wie im Kreisstädtchen Morogoro, wo er in der Sylvesternacht mit einigen versoffenen Elefantenjägern zusammen vor dem Sitz des schlafenden Regierungsamtmanns das neue Jahr mit Salven aus den großkalibrigen Büchsen begrüßt, machen ihn auch nicht beliebter. Doch die große Stunde der Bürokraten soll kommen. Einem deutschen Pflanzer erzählt Schomburgk abends im Busch am Lagerfeuer, dass er seine schwarzen Gewehrträger bei der Elefantenjagd nach seinem ersten Schuss mitschießen lässt, wenn dies aus Sicherheitsgründen erforderlich wird. Dies war damals nicht unüblich, vor allem, weil auf Großwildwaffen und Munition kein Verlass war.

Nachdem Schomburgk dem Hobbyjäger beim Abmarsch noch die Hälfte seines Biervorrats geschenkt hat, was ihn im Nachhinein verständlicherweise besonders erzürnt, zeigt dieser ihn schnurstracks an. Ein schwarzer Polizist überreicht Schomburgk mitten im Busch die schriftliche Vorladung zum Gericht in der Hauptstadt Dar es Salaam, die er eingeklemmt in einen eingekerbten Stock befördert hat. Die Überlassung von Hinterladern an „Eingeborene“ ist nämlich verboten, und Schomburgk soll gleich gegen vier verschiedene Verordnungen verstoßen haben. Jahrelang verfolgt ihn nun die Kolonialregierung mit Prozessen. Selbst aus Nord-Rhodesien fordert man von der britischen Verwaltung ihn eventuell belastende Akten an, da dort vor Jahren gegen ihn wegen Totschlag ermittelt wurde.

Schomburgk ist schon längst wieder in Hamburg, doch in Deutsch-Ost wird weiter ermittelt. Schließlich wird er zur Zahlung von 1779 Reichsmark verurteilt. Eingaben auf Minderung oder Ratenzahlung bleiben erfolglos. Die hohe Strafe spiegelt auch die Abneigung gegen den inzwischen erfolgreichen Reiseschriftsteller wider, zumindest legen dies die boshaften handschriftlichen Randbemerkungen der kaiserlichen Beamten in den noch erhaltenen Prozessakten im tansanischen Nationalarchiv nahe. Aber auch Schomburgk ist ein gerissener Fuchs und hat seine Afrikasammlung und die Jagdtrophäen unpfändbar verschenkt. Schließlich muss der Hamburger Gerichtsvollziehen 1913 nach Deutsch-Ostafrika melden, zu pfänden gebe es nichts und der Schuldner sei mit unbekannter Adresse nach West Afrika verzogen.

Schomburgk hat eine neue Seite im Buch seiner afrikanischen Abenteuer aufgeschlagen. Er unternimmt Forschungsreisen nach Westafrika und für Hagenbeck geht er auf Tierfang.

Der hatte ihm bereits 1910 im Vorwort zu seinem Buch „Wild und Wilde“ attestiert: „Zu einem solchen Nachwuchs unter den deutschen Weltreisenden können wir uns nur gratulieren!“ Da hatte Schomburgk gerade den ersten Elefanten aus Ostafrika in Hagenbecks Tierpark zu Stellingen gebracht. Jetzt jedoch jetzt soll er in Liberia das als ausgestorben geltende Zwergflusspferd fangen. Nach großen Strapazen sieht er endlich das Fabelwesen im liberianischen Urwald auf kaum 50 Meter vor sich.

„Wie leicht hätte ich dieses Tier erlegen können...!“ Doch der Großwildjäger lässt den Finger gerade und wird nach seiner Rückkehr aus dem Urwald nicht als Entdecker gefeiert, sondern stattdessen mit Hohn und Spott überschüttet. Auf seiner nächsten Expedition gelingt es ihm, fünf Zwergflusspferde zu fangen und lebend in Hagenbecks Tierpark zu bringen. Hat er in den Jahren, als er allein der Jagderlebnisse wegen reiste und Elefanten in kommerzieller Absicht erlegte, 800 Stück Groß- und Schalenwild erbeutet, darunter 63 Elefanten und einen Löwen, so jagt er jetzt auf seinen Afrikareisen nur noch gelegentlich, für den Topf und wie es sich so ergibt. An den Nagel hängt er seine Büchse, das zeigen spätere Bücher, aber nicht. Das wäre für Safaris in die Wildnis auch kaum empfehlenswert. Schomburgk teilt das Schicksal vieler Elefantenjäger. Wie einer Droge war er der Elefantenjagd mit ihren Gefahren, Strapazen und euphorischen Erlebnissen erlegen. Dagegen kann kein anderes Jagderleben mehr ankommen.

„Das Leben als Elefantenjäger beträgt durchschnittlich zwei Jahre“, zitiert er einmal eine englische Statistik. Er hat überlebt, wenn auch dreimal ganz knapp, weil unter einem Elefant liegend. Für mittellose Jagdreisen auf dem Fahrrad ist er inzwischen zu alt geworden. Komfortable Jagdsafaris kann er sich nicht leisten. Dennoch hat er einen Weg gefunden, um Afrika weiter zu bereisen und davon leben zu können. Er setzt auf das neue Medium Kinematografie. Ein erster Film aus dem Hinterland Liberias und Togos floppt: Weder Kameramann noch Filmmaterial sind tropentauglich. Für den nächsten Film engagiert er 1913 die 22-jährige Hamburgerin Emma Augusta Gehrts. Ohne schauspielerische Erfahrung folgt die Mimin mit dem Künstlernamen Meg dem elf Jahre älteren verbuschten Raubein in Gebiete, die noch nie eine weiße Frau betreten hat. Sie wird die erste Filmschauspielerin, die in Afrika vor der Kamera steht ... und liegt. Denn für Stummfilme mit Titeln wie „Weiße Göttin der Wangora“ muss sie sich lasziv auf Leopardenfellen räkeln.

Über ihre ungewöhnlichen Dreharbeiten berichtet sie flott und selbstironisch schon ein Jahr später in einem Buch, das nur auf Englisch erscheint und erst 85 Jahre später ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht wird. Darin erzählt sie sympathisch von ihren Zusammenbrüchen in der Wildnis, aber auch von ihrer Neugier auf die unbekannten Menschen, vor allem die Frauen, deren Leben sie mit einer im Vergleich zu ihren meisten männlichen Zeitgenossen seltenen Aufgeschlossenheit schildert. Im Busch kommen Regisseur und Starlet sich näher, und später werden die beiden sogar drei Jahre lang verheiratet sein.

Finanziert wird das Unternehmen von einem Baron Codelli aus Slowenien, der als technischer Autodidakt in Togo eine Großfunkstation für das Kaiserreich baut und ansonsten auf die Jagd geht. Seine Mutter soll Teile des Drehbuchs für die dramatische Lovestory selbst verfasst haben. Es entstehen aber nicht nur Spielfilmszenen, sondern auch ethnografische und naturkundliche Aufnahmen. Als die Filme in Londoner Kinos anlaufen, werden sie von Presse und Publikum begeistert aufgenommen. „Wir wurden dem König vorgestellt“ erinnert sich Meg Gehrts später „und plötzlich: Alles aus.“ Denn Europa zieht in den Krieg. 4.000 Meter Stummfilm aus Togo lagern bei der englischen Produktionsfirma und werden als Feindpropaganda großenteils vernichtet. Für den späteren Ruf aller Beteiligten ist zumindest der Verlust der Spielfilme von Vorteil, allerdings ist auch das Vermögen des Barons hin.

Nach dem Krieg produziert Schomburgk weiter mit seiner Muschi, wie sich Emma Augusta alias Meg von Freunden nennen lässt, wobei viele Afrikaszenen an der Nordsee entstehen. Die filmischen Werke aus dem Bereich der leichten Muse sind weiterhin von zweifelhaftem kulturellem Wert („Eine Weiße unter Kannibalen“) und werden von der Kritik verrissen. Den letzten Spielfilm drehen die beiden zusammen 1922 in Liberia auf ihrer Hochzeitsreise.Schomburgk-Frau

Seine Naturfilme machen Schomburgk jedoch bekannt, und wenn er nicht gerade in Afrika ist, reist er durch Deutschland, zeigt seine Filme und hält Vorträge. Der erste deutsche Afrikafilm nach dem Krieg „Mensch und Tier im Urwald“ wird ein ungeheurer Erfolg, seine Bücher verkaufen sich, und in einer einzigen Saison besucht Schomburgk mit Frau und Hund Bonzo 244 Städte und legt 42.000 Kilometer mit dem Auto zurück, um Vorträge zu halten. 1926 geht Schomburgk eines Abends aus dem Haus, um ein paar Zigaretten zu holen. Zurück kehrt er nicht mehr. Hat er sein 1922 erschienenes Buch Bwakukama noch seiner „Frau, der mutigen Afrikanerin, die als erste weiße Frau unser Togo durchquerte“ in Liebe gewidmet, wird er sie danach weder in seinen Büchern noch in seinen Filmen mehr erwähnen. Unbekannt ist, welcher Seite Hund Bonzo nach der Scheidung zugesprochen wird.

Schomburgk sorgt sich um den Fortbestand der Wildnis und der wilden Tiere Afrikas genauso wie um die Zukunft des Kontinents überhaupt. „Schwarz und Weiß müssen in Afrika friedlich zusammenleben. Afrika muss für beide da sein“, schreibt er drei Jahre vor der Machtübernahme der Nazis. In seinen Anschauungen ist auch er ein Kind seiner Zeit. Aber Rassenwahn ist ihm, der in einem weltoffenen Elternhaus aufgewachsen ist, in dem ständig Fremde verschiedenster Rassen und Hautfarben verkehrten, fremd. In einem seiner Bücher findet sich eine handschriftliche Widmung Schomburgks vom 6. März 1933, einen Tag nachdem die Nazis durch Reichstagswahlen die Macht übernommen hatten.

Einem Freund schreibt er dort: „Wenn wir zu wählen haben ‑ nie wieder Wahlen!!!“ 1940 veröffentlicht er noch das Buch „Ich such in Afrika das letzte Paradies“, dann verbieten die braunen Machthaber seine Filme, erteilen ihm Publikations- und Redeverbot und sperren ihn für ein paar Tage ein. Sie manipulieren sein Filmmaterial zu dem Propagandafilm „Wildnis“, der 1942 in die Kinos kommt. Angeblich war Schomburgk danach für die Widerstandsgruppe Canaris in Nordafrika gewesen. Doch dafür gibt es keine Belege, auch wenn viele Autoren diese Behauptung voneinander abschreiben.

Im Herbst 1945 kommt James Hodgson, der Kameramann aus Togotagen, für die britische Wochenschau in das zerstörte Berlin. Er geht auf die Suche und findet Schomburgk in einer Hausruine, aber mit der liberianischen Fahne an der Tür. Liberia hatte ihn einmal kurzzeitig zum Militärattaché ernannt und ihm einen Orden angeheftet. Schomburgk erzählt Hodgson, die Nazis hätten ihn in die Partei zwingen wollen, er sei aber nicht eingetreten. Später habe er geäußert, dass Deutschland den Krieg gegen England nicht gewinnen könne. Und dann hätten sie ihm noch eine jüdische Großmutter mütterlicherseits nachgewiesen. Man habe ihn in ein Konzentrationslager nahe der polnischen Grenze deportiert und dort hätten ihn die Russen befreit. Da er die liberianische Fahne mit sich geführt und Englisch gesprochen habe, sei er als Amerikaner durchgegangen. Jedenfalls hätten ihn die Russen mit nach Berlin genommen und dort frei gelassen.

So findet er sich in der DDR wieder und ist dort als Parteiloser bis 1948 Mitglied im „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“. Er schafft es sogar bis zum stellvertretenden Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes. Im Verband der Opfer der Nürnberger Gesetze wird er Ehrenpräsident. In der DDR wird Schomburgk als Kolonialpionier gewürdigt, der mit zunehmendem Alter fortschrittlicher geworden sei. Um dies zu unterstreichen, hilft man offenbar auch seinem anti-faschistischen Lebenslauf ein bisschen nach. Auf jeden Fall schafft es Schomburgk, dass sein letzter Film „Mein Abschied von Afrika“ 1956 sowohl von der DDR wie auch aus der Bundesrepublik mitfinanziert und in beiden Teilen Deutschlands, wenn auch in unterschiedlichen Fassungen, gezeigt wird.

In mindestens 27 volkstümlichen Büchern hat er seine Abenteuer erzählt. Dabei zeigt er sich als Meister des Recycling, der seine Erlebnisse in immer wieder neuer Form präsentiert. Kein anderer deutschsprachiger Afrikajäger hat seine Erlebnisse so oft in neue Bücher verpackt. Dabei werden die Fakten gelegentlich auch neu interpretiert. Die Auflagen erreichen zwei Millionen. Buchtitel wie „Mein Afrika“, „Freunde im Busch“ und „Ich suchte das letzte Paradies“ zeigen Schomburgks enges Verhältnis zu dem schwarzen Kontinent, der ihn lebenslang in seinen Bann geschlagen hatte, und zu dessen Menschen. Doch für den Jäger – und damit sind nicht nur Afrikajäger gemeint – bleibt sein erstes Buch mit dem sinnigen, wenn auch politisch nicht mehr korrekten Titel „Wild und Wilde“ zweifelsohne am fesselndsten.

von Rolf D. Baldus

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