Nachhaltigkeit, Hege, Naturschutz – Wo kommen die Begriffe her?

Rolf D. BaldusRDB

Sieben Kilometer von meinem Haus entfernt steht in einem der ältesten Naturschutzgebiet Deutschlands, dem Naturpark Siebengebirge, die Drachenburg, ein niemals bewohntes Märchenschloss, vor imposantem Rheinpanorama. Nicht Ludwig II, sondern ein Bonner Spekulant hat es 1882 mit am Suezkanal verdientem Geld bauen lassen. Es hätte gleichermaßen als Kulisse für den „Tanz der Vampire“ oder die „Rocky Horror Picture Show“ dienen können. Im Schlossensemble ist ein Museum zur Geschichte des Naturschutzes untergebracht.

Erstaunlicherweise findet sich unter den vorgestellten Persönlichkeiten auch ein Jäger. Carl Georg Schillings wird mit seinem Kampf gegen das Abschießen von Reihern und Paradiesvögeln in Afrika zur Gewinnung von Schmuckfedern für die damalige törichte Hutmode der feinen Damen gewürdigt. Bedauernd erwähnen die öffentlichen Ausstellungsmacher, dass er allerdings in Afrika gejagt habe, erst später im Leben sei er zum Naturschützer mutiert. An der Vitrine findet sich etwas versteckt noch ein Täfelchen, auf dem die Tierrechtsorganisation PETA zum geistigen Erben von Schillings erklärt wird. Dabei ist PETA (Dustin Hoffmann: „eine radikale, faschistische Organisation“), anders als Schillings, noch nie mit Beiträgen zum Naturschutz aufgefallen, sondern eher mit unappetitlichen Kampagnen wie „Der Holocaust auf Ihrem Teller“.

Die grüne Bewegung ist sehr erfolgreich darin, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, sie habe Begriffe und politische Konzepte wie Nachhaltigkeit und Naturschutz erfunden. Die Nutzung von natürlichen Ressourcen, Jagd und Jäger hingegen werden als damit im Gegensatz stehend abqualifiziert. Deswegen muss, wie im eingangs genannten Fall, ein Jäger vom Saulus zum Paulus, also zum Nichtjäger mutiert sein, wenn man nicht vermeiden kann, seine Leistungen im Naturschutz anzuerkennen. Christian Morgenstern kannte das Phänomen und reimte: „Weil, so schließt er messerscharf,nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Nach und nach und mit ausreichender medialer Berieselung setzt sich das im Bewusstsein einer urbanen, wenig informierten Bevölkerung fest.

Die Wirklichkeit stellt sich hingegen anders dar. Im letzten Jahr haben wir das dreihundertjährige Jubiläum des heute von so vielen ge- und missbrauchten Begriffes „Nachhaltigkeit“ begangen. huHans von Carlowitz, aus einer alten Förster- und Jägerfamilie stammend, meinte damit den pfleglichen Umgang mit Rohstoffen, vor allem Holz. Den Begriff verwendet er in seiner „Sylvicultura OeconomicaoderHaußwirthliche Nachricht und NaturmäßigeAnweisung zur Wilden Baum-Zucht“. Er fordert dort eine „continuierliche, beständige und nachhaltendeNutzun des Forstes“. Es soll also immer nur soviel Holz geschlagen werden, wie natürlich oder durch Aufforstung nachwachsen kann.

Der jagende Forstwissenschaftler Georg Ludwig Hartig vertiefte 1795 den Gedanken der nachhaltigen Nutzung in seinem Werk „Anweisung zur Taxation der Forste oder zur Bestimmung des Holzertrags der Wälder“. Das Konzept wurde Grundlage der modernen Forstwissenschaft und der Jagd, wurde aber auch wesentliches Element des Berichtes „Unsere gemeinsame Zukunft“ der Brundtland Kommission oder Konvention über die Biologische Vielfalt, der wichtigsten Umweltkonvention, die 191 Staaten ratifiziert haben. Die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen hat dort den gleichen Rang wie der reine Schutz.

In seinem 1811 und 1812 veröffentlichten zweiteiligen „Lehrbuch für Jäger und die es werden wollen“ legt Hartig dann die Grundlagen für die moderne nachhaltige Jagd. Dort spricht er von der „Wild-Hege“, womit er die „Schonung und Pflege des Wildes jeder Art“ meint, und begründet den heutigen Artenschutz.

Wer die Jagdliteratur des 19. Jahrhunderts studiert, der findet dort zahlreiche Forderungen, die Gedanken von Hege und schonender Nutzung besser zu verwirklichen. Es sollte aber noch bis ins frühe 20. Jahrhundert dauern, bis die Wildhege in Deutschland in geeignete Gesetze umfassend kodifiziert und das erste Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Erstaunlicherweise war man in den deutschen Kolonien flotter. Der Jäger Hermann von Wissmann erließ Jagdverordnungen zwecks Wildhege und schuf die ersten neuzeitlichen Wildreservate Afrikas, als er Gouverneur von Deutsch-Ostafrika war. Das von ihm begründete Mohoro Jagdreservat existiert unter dem Namen „Selous Game Reserve“ noch heute und ist mit 50.000km2 Afrikas größtes Naturschutzgebiet.

Wissmann schuf die Jagdreservate mit der ausdrücklichen Begründung, das Wild zu erhalten. Nicht zuletzt dachte er dabei auch an die Naturfreunde und auch die Jäger nach ihm. Nicht jagende Gouverneurskollegen sahen im afrikanischen Wild hingegen einen Fortschrittsblocker und ließen ganze Landstriche leer schießen.

Wissmanns Name wird heute in Deutschland von Straßenschildern getilgt. Er sei ein “Kolonialverbrecher” werfen ihm Politaktivisten und Kommunalpolitiker vor. Beweise haben sie für diese Verleumdung keine. Mehr Geschichtskenntnis zeigte Tansania, als man zusammen mit dem “Internationalen Rat für die Erhaltung des Wildes und der Jagd” eine Gedenkplatte für Wissmann am Eingang zum Selous Wildreservat anbrachte.

Kurz nach der Jahrhundertwende publizierte der eingangs erwähnte Afrikajäger Schillings über die Notwendigkeit des Wildschutzes in Afrika: „Eine Möglichkeit nur gibt es, das schöne afrikanische Wild auf die Dauer zu erhalten, die nämlich, dass der Jäger sich der Hege und Schonung annimmt.“ In Afrikas reichhaltiger Fauna sah er nicht nur ein erhaltenswertes Naturdenkmal, sondern auch eine Ressource, die zum Wohl der Menschen nachhaltig zu nutzen sei. Auch damals gab es schon „Tierrechtler“, die einen totalen Schutz forderten. Da er die Verhältnisse vor Ort kannte und wusste, dass ein Totalschutz das Gegenteil bewirkt, sprach er sich gegen „übertriebene Anforderungen an Schutz“ aus.

Stattdessen wollte der Waidmann und Afrikakenner die nachhaltige Trophäenjagd nutzen, um einen Anreiz zum Wildschutz zu geben und gleichzeitig die erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen: „Es wäre nun zweifellos sehr erwünscht, möglichst viele kapitalkräftige Jagdreisende in das Deutsche Gebiet zu bringen. Diese Jagdreisen würden nicht nur erhebliche Gebühren für die Jagdberechtigung zahlen, sondern auch durch die von ihnen unternommenen Reisen große Summen Geldes in die Kolonien bringen.“

Es ist schleierhaft, wie eine ansonsten fundierte neuere s Monographie über Schillings auf dem Umschlagdeckel behaupten kann, er habe sich „vom Jäger zum Naturschützer“ gewandelt. Schillings hätte sich über diese ideologische Akrobatik wohl eher amüsiert, denn er selbst jagte mit Vergnügen bis ins hohe Alter und sah darin zweifellos, wie viele andere jagende Naturschützer auch, nicht den geringsten Widerspruch, im Gegenteil.

Bleibt zu fragen, woher der heutige Begriff des Naturschutzes kommt. Kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht Politiker und Aktivisten damit brüsten und Andersdenkenden vorwerfen, sie würden dagegen verstoßen. Hier haben sich zwei Mitarbeiter des Bonner Bundesamts für Naturschutz Verdienste erworben. Mit einem Statistik-Tool haben sie per Computer eine Literaturrecherche bereits digitalisierter Schriften vorgenommen. Vielfältige Verwendungen wurden gefunden. Im frühen 18. Jahrhundert sprachen die Militärs von Naturschutz, wenn die Natur dem Soldaten einen Schutz vor seinen Feinden bot. Und 1842 bezeichnet eine kriminologische Quelle den natürlichen Abwehrmechanismus des Menschen vor Selbstmord als Naturschutz.

Im heutigen Sinne wurde der Begriff „Naturschutz“ zum ersten Mal im Jahre 1871 verwendet, so Koch und Hachmann. Der Autor Philipp Leopold Martin (1815 - 1885) veröffentlichte eine siebenteilige Aufsatzreihe mit dem Thema „Das deutsche Reich und der internationale Thierschutz“. Die programmatische Schrift gibt praktische Anleitungen für einen nationalen und internationalen Natur- und Artenschutz. Ob Martin ein Jäger war, wissen wir nicht. Allerdings verarbeitete er als Präparator Jagdbeute und wird insofern zumindest viel von der Jagd verstanden haben. Ein Freund der Jagd muss er auch gewesen sein, denn sein Aufsatz erschien, den Jäger wird es nicht erstaunen, in einer Zeitschrift mit dem Namen „Der Waidmann: Blätter für Jäger und Jagdfreunde.“

Literatur:Der Waidmann-1

 

Baldus R.D. und Schmitz, W.: (2014) Auf Safari. Legendäre Afrikajäger von Alvensleben bis Zwilling. Stuttgart

 

Koch R. und Hachmann G. (2011): „Die absolute Notwendigkeit eines derartigen Naturschutzes...“ Philipp Leopold Martin (1885 – 1886): vom Vogelschützer zum Vordenker des nationalen und internationalen Natur- und Artenschutzes. Natur und Landschaft. 86. Jg. Heft 11

 

Martin P. L. (1871/1872): Das deutsche Reich und der internationale Thierschutz. Der Waidmann. Hefte 1 - 7

 

Schillings C. G.: (1906) Der Zauber des Elelescho. Leipzig.

 

Quelle: Neue Neudammerin II/2014

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